Tote Mütter hielten ihre toten Kinder in den Armen

Phukets Schiffsdesaster: 41 Tote, 15 Vermisste, wütende Angehörige

Dramatische Rettungsaktionen bei hohem Seegang am Donnerstag vor Phuket: Glückliche wie hier wurden trotz fünf Meter hoher Wellen aus dem Wasser gefischt, andere ertranken im Rumpf der Phönix.
Dramatische Rettungsaktionen bei hohem Seegang am Donnerstag vor Phuket: Glückliche wie hier wurden trotz fünf Meter hoher Wellen aus dem Wasser gefischt, andere ertranken im Rumpf der Phönix.

PHUKET: „Ich höre die Schreie meiner Tochter“, sagt der Chinese Xing Yong zu einem Reporter der Agentur AP. „Ich sehe die letzten Minuten in ihrem Leben auf einem mir geschickten Video und ich sehe auch, dass kaum einer der Passagiere Schwimmwesten trug.“ Das schlimmste Schiffsunglück in jüngerer thailändischer Geschichte vor Phuket am Donnerstagabend hat zwischenzeitlich 41 bestätigte Todesopfer gefordert. Für 15 weitere vermisste chinesische Touristen besteht kaum mehr Hoffnung.

Die Behörden haben wie erwartet zunächst die Kapitäne zweier im Sturm gekenterter Ausflugsschiffe festgenommen und offiziell angeklagt: Somjing Boontham (50) von der Phönix wird seines Lebens nicht mehr froh werden. Unter seiner Autorität stach das Schnellboot mit 105 Personen am 5. Juli früh morgens am Hafen in Chalong trotz Sturmwarnung in See – in seiner Verantwortung liegen fast alle registrierten Todesfälle. Mehr Glück im Unglück hatte sein Kollege, Kapitän Metha Limsakul von der Serena. Seine 39 Passagiere konnten ausnahmslos gerettet werden.

Mehr Verantwortliche als nur die beiden Kapitäne?

Es ist anzunehmen, dass nach diesem Unglück auch andere einen thailändischen Gerichtssaal von innen sehen werden. Strafrechtlich relevant werden könnte, inwieweit der Hafenmeister von Chalong mit in die Verantwortung gezogen werden kann und auch die dort stationierten Diensthabenden des Marinecorps. Machen sie sich strafbar, wenn sie den täglichen dichten Ausflugsverkehr durchwinken und unbehelligt lassen – auch wenn die Wetterprognosen eindeutig schlecht sind? Die Tragödie vor Phukets rauer See kann weite politische Kreise ziehen und das chinesische auswärtige Amt hat deutlich gemacht, dass es neben professioneller Rettungsmaßnahmen deutliche Antworten erwartet.

Die Betreiber europäischer Tauchschulen, die als gut ausgebildet und notfallerprobt gelten, sind auch nach diesem schweren Unglück ausgerückt. Sie helfen und sie erleben den Horror. „Ich habe eine tote Mutter im Rumpf der Phönix gesehen, die hielt ihre beiden Kinder in den Armen“, sagte der französische Tauchinstrukteur Philippe Entremont. Es war nicht das erste Mal, dass er und seine Kollegen Wasserleichen bergen halfen. Doch so viele wie dieses Mal waren es nie zuvor gewesen.

Thailands Behörden und der Tourismusminister Weerasak Kowsurat haben eine zügige Ermittlung zugesichert und schnelle Entschädigungen für die Angehörigen von Toten und Verletzten in Aussicht gestellt. Fast makaber mutete an, dass Summen von einer Million Baht für ein Todesopfer gehandelt werden, wie auch in den thailändischen Tageszeitungen berichtet wurde. Das Katastrophenschiff Phönix sei versichert gewesen und der Geschäftsführer der Versicherung stellte eine reibungslose finanzielle Kompensation in Aussicht.

Heikel bis wirtschaftlich bedrohlich könnten die Reaktionen der chinesischen Tourismusfunktionäre ausfallen, und auch ein politisches Nachbeben scheint nicht ausgeschlossen. Bereits vor zwei Jahren hatten chinesische Offizielle sich bitter bei der thailändischen Militärregierung beklagt, weil zu viele Touristen aus China bei Transportunfällen in Bussen und Minibussen ums Leben kamen. Damals konnten die Chinesen mit Versprechungen für ein stärkeres Durchgreifen im entfesselt gefährlichen thailändischen Straßenverkehr noch besänftigt werden.

Im chinesischen Fernsehen laufen die Bilder des Horrors

Im Juli 2018 sieht es nicht mehr so aus, als würden Beschwichtigungen ausreichen. Das chinesische Generalkonsulat auf Phuket erlebt seit Donnerstag die schlimmsten Stunden seit seiner Gründung. Seit gestern fliegen die Angehörigen der Opfer ein, viele haben Videoaufnahmen der furchtbaren Katastrophe auf ihren Smartphones. Das letzte Lebenszeichen ihrer Familien. Trotz der akuten Lebensgefahr waren einige noch geistesgegenwärtig genug gewesen, ihr eigenes Ende auf dem Handy festzuhalten.

Diese Bilder laufen aktuell im chinesischen Fernsehen und in sozialen Netzwerken. Die 2016 eher unterschwellig ausgesprochene Drohung chinesischer Verantwortlicher in Richtung Thailand, schlimmstenfalls keine chinesischen Touristen mehr in ein so gefährliches Land zu schicken, werden dort Nahrung und Zustimmung finden. Thailand wird dieses Mal mehr tun müssen, als zwei Kapitäne zu verurteilen. Das Sicherheitssystem im Transportwesen und insbesondere auch bei Ausflugsfahrten zu Land und zu See bedarf einer dringenden Notoperation.

Update: Das Marine Department hat mit sofortiger Wirkung die Lizenzen der Unfallboote Phoenix und Sereniga sowie die ihrer Kapitäne eingezogen.

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Kurt Wurst 10.07.18 13:27
Thailander lieben
halt ihre Nation, und sie verhalten sich entsprechend.
Ernst Schwartz 10.07.18 10:30
Herr Franke
Ihre letzte Meinung teile ich 100%ig. Meist verstehen Sie die Kommemtare. Herr März zitierte einige Thai Nachbarn, und auch die Thais, mit denen ich rede, denken ähnlich. Die Leser hier gaben andere Kommentare ab, die sich nicht auf die Nationalität beziehen. Auch wenn es Khäg oder Schwarze gewesen wären, vielleicht sogar bei Farangs, wäre die Meinung vieler Thais so. Diese Stereotype ist Realität, soweit eine Stereotype real sein kann, zumindest beschreibt sie die Ansicht der Mehrheit der Leute hier. Am nächsten bin ich mir selbst, dann meine Familie, danach Leute meiner Provinz, dann alle Thais, dann die Farangs (vielleicht), dann die Thai Yai und alle anderen. So etea.ä
Hermann Auer 09.07.18 14:51
@Peter Maerz
Zitat: "Es waren doch nur Chinesen ... . Ich war entsetzt.". Diese Einstellung ist allerdings ernster als das Unglück selbst, das Entsetzen passierte zu Recht. Das Schlimme ist das Wörtchen "nur". Nicht nur, dass sie uns Deutsche bedenklich an unsere Geschichte vor 80 Jahren erinnert. Sie ist bereits die zweite Stufe der Vorbereitung zu Gewalt (kriegsvorbereitende Abfolge: "teilen - abwerten - töten"). Wehret den Anfängen!
Jürgen Franke 09.07.18 14:40
Herr Schwartz, auch wenn Sie es anders sehen,
ich finde die Bemerkung menschenunwürdig. Die Sätze, die anfangen: "es waren doch nur...", sollten eigentlich der Vergangenheit angehören.
Ernst Schwartz 09.07.18 13:09
Herr Franke
Die Kommentierer, deren Meinungen Sie erwähnen, sind alles Farang, die Nachbarn sind Thais, und deren Bemerkung wegen der Chinesen ist so verbreitet, dass sie zum Stereotypen passt.
Jürgen Franke 09.07.18 10:38
Herr Raktin, mein Kommentar bezog sich
lediglich auf die zu bedauernde Äußerung des Nachbarn von Fam. Maerz. Die Vielzahl der Kommentare spiegeln jedoch die unterschiedlichsten Meinungen zu den Realitäten in Thailand wider, sofern man sie überhaupt erkennen will und nicht der einfachhalber ignoriert.
Norbert Kurt Leupi 09.07.18 03:53
10 Personen ,12 oder.../Herr Songran Raktin
mehr Meinungen ! Geehrter Herr Raktin : Die Meinungsbildung findet ihre Voraussetzung in der Meinungsvielfalt ! Wenn aber die Meinungsvielfalt zur Meinungseinfalt wird , reift die Ideologie zur Demagogie !
Jürgen Franke 08.07.18 22:05
Herr Maerz, nehmen Sie die Reaktion Ihrer
Nachbarn nicht zu kritisch, denn wie Sie den Kommentaren entnehmen können, beurteilt jeder Leser die Realität in Thailand etwas anders.
Michael Ritsche 08.07.18 18:58
Wichtig ist der Tourismusindustrie ...
nur der Verdienst.
Alles,wie zum Beispiel die Sicherheit sind kostenintensive Faktoren die zu Vermeiden sind.
Und wie das nun mal ist,der Wetterbericht und hier insbesondere Warnungen betreffen doch nicht die Ausflugsboote.Wie eben auch im Straßenverkehr,Regeln sind nur Empfehlungen.
Peter Maerz 08.07.18 18:57
Gleichgueltigkeit
Gestern habe ich mit einigen meiner Thai-Nachbarn ueber dieses fuchtbare Unglueck gesprochen und mich auch bei Ihnen nach Sicherheitsstandards und Sicherheitskontrollen erkundigt. Die meisten lapidaren Antworten: " Es waren doch nur Chinesen ... " Ich war entsetzt. Aber das scheint Thai-Wirklichkeit zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass die chinesichen Auslandsvertretungen hier auf eine wirklich lueckenlose Aufklaerung bestehen. Alle Ausflugs-Schiffe, oder besser Ausflugs-Boote bis auf weiteres stillegen - strenge Sicherheits- und Technik-Ueberpruefungen, Kapitains-Patent ? Nein, - sofort aus dem Verkehr ziehen. Ich bin mir bewusst, dass meine (selbstverstaendlichen) Forderungen zu der Kategorie "Wunschdenken" gehoeren und in diesem Land sowieso sofort in dunklen Aktenschraenken verschwinden, wo sie bis zum SanktNimmerleinstag vor sich hinduempeln. Das naechste Unglueck ist vorprogrammiert !
Thomas Thoenes 08.07.18 13:35
Seit dem Bericht vom 12.06.2018
"Mehr Sicherheit für Chinesen" sind mehrere Berichte über ertrunkene und verprügelte Chinesen erschienen. Diese schreckliche Bootskatastrophe als traurige Krönung dieser Reihe von Berichten. Es scheint als würde hier nur auf positive Prognosen wie den angeblichen Touristenboom reagiert mit mehr Shops, mehr Taxis, mehr Boote mehr... Sicherheitskriterien oder Veränderung in der Vorbeugung von Unfällen werden sträflich vernachlässigt. Wie kann es sein, dass wieder mal so viele Touristen keine Schwimmweste trugen?