Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Handelsblatt» zu Lindners Zwölf-Punkte-Papier

FDP-Chef Christian Lindner steckt in einem Dilemma.

Kurz vor dem Bundesparteitag am Wochenende geben die Liberalen mit ihrem "Zwölf-Punkte-Papier" für eine "Wirtschaftswende" den Takt vor. Die FDP hat es geschafft, in der breiten Öffentlichkeit wieder mit dem Thema verbunden zu werden, das schon immer zu ihrem Markenkern zählt: Das ist neben Finanzen nun mal die Wirtschaft. Für die Profilierung ist es also gut, vor allem wenn die Umfragewerte so miserabel sind. Andererseits jedoch riskiert der Parteivorsitzende damit einen glatten Koalitionsbruch.


«Frankfurter Rundschau» zu Steinmeiers Türkei-Reise

Am Besuchsprogramm von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Türkei ließ sich bereits ablesen, wie distanziert das Verhältnis zu Präsident Recep Tayyip Erdogan ist.

Erst zum Schluss seines dreitägigen Staatsbesuchs traf Steinmeier in Ankara mit Erdogan zusammen. Schließlich gibt es viele Themen, bei denen Berlin und Ankara über Kreuz liegen. Erdogan bezeichnet etwa die Hamas nach deren brutalen Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober als Befreiungsorganisation. Strittig ist auch Erdogans Umgang mit den Menschenrechten. Und eine unabhängige Justiz gibt es in der Türkei schon lange nicht mehr. Steinmeier betonte aber auch, dass die Türkei und Deutschland untrennbar miteinander verbunden sind - dafür sorgen schon allein die rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. "Wir brauchen einander", sagte der Bundespräsident. Das ist richtig. Die Türkei ist ein schwieriger Partner - zugleich aber auch ein unverzichtbarer.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Krah-Affäre

Wenn der nicht extremistische Teil der AfD recht hätte, dass die Partei den Etablierten moralisch überlegen sei, weil sie wahre Patrioten mit weißer Weste versammele, müsste es ein Leichtes sein, reinen Tisch zu machen.

Im lauen Umgang mit Krahs Hallodri-Kurs gegenüber China und Russland zeigt sich stattdessen die ganze Doppelmoral der AfD, wenn denn von Moral noch die Rede sein kann. Dass sie nun wehklagt, Regierung und Parteien fielen über sie her, ist ein schlechter Scherz angesichts der Keulen, mit denen die AfD unterwegs ist. Stört es ihre Wähler, dass sie so verkommen ist? Leider viel zu wenige. Denn sie wissen nicht, was sie tun.


«Wyborcza»: Die Stationierung von Atomwaffen ist nichts zum Angeben

WARSCHAU: Die Ankündigung von Polens Präsident Andrzej Duda, sein Land sei offen für die Stationierung von Atomwaffen, kommentiert die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» am Mittwoch:

«Präsident Andrzej Duda, der gerade angekündigt hat, dass er mit den USA über den Beitritt Polens zum Programm der nuklearen Teilhabe spricht, ist nicht der erste Politiker aus dem Umfeld der (nationalkonservativen Partei) PiS, der eine ungesunde Faszination für Massenvernichtungswaffen an den Tag legt. Solche Ankündigungen sind einfach unklug. Der Präsident ist im neunten Jahr im Amt und sollte verstehen, dass amerikanische Atomwaffen nicht dasselbe sind wie visafreies Reisen in die USA. Da gibt es nichts zum Angeben, darüber sollte man schweigen.

Denn wenn die USA wirklich beschließen würden, einen Teil ihres Atomwaffenarsenals nach Polen zu verlegen, dann wäre dies kein Erfolg zum Ausposaunen. Vielmehr wäre es ein klares Signal: Die Situation in unserer Region wird noch gefährlicher und unberechenbarer, und die Gefahr einer Konfrontation zwischen der Nato und Russland wird so real, dass der nukleare Schutzschirm der USA nicht ausreicht und die Abschreckung auf ein höheres Niveau angehoben werden muss. Wenn Duda sich darüber bewusst ist, in welchen Zeiten er amtiert, sollte er mehr Verantwortungsbewusstsein für seine Worte zeigen.»


«Corriere della Sera»: Viel Material für Chinas Geheimdienste

MAILAND: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» beschäftigt sich am Mittwoch mit dem Spionageverdacht gegen einen Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah:

«Die Seidenstraße ist für Krah offensichtlich ein «Weg des Friedens». Heikel erscheinen jedoch die Beziehungen zur Internationalen Abteilung der Kommunistischen Partei Chinas: Der deutsche Verfassungsschutz rät Politikern davon ab, weil es sich dabei um den verlängerten Arm der chinesischen Geheimdienste fürs Ausland handele.

Was könnte Agent G. Peking weitergegeben haben? Krah sitzt in Brüssel im Ausschuss für Außenhandel sowie in den Unterausschüssen für Sicherheit, Verteidigung und Menschenrechte. Dort gibt es unendlich viel Material für methodisches chinesisches Harken. Krah gibt sich überrascht, sagt aber, dass die «Entlassung (seines Mitarbeiters) eingeleitet» werde, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Dass man ihn von der Position des AfD-Spitzenkandidaten (für die Europawahl) verdrängen wolle, sagt niemand.»


«Financial Times»: Ruanda-Plan schadet dem Ruf Großbritanniens

LONDON: Das britische Parlament hat die Abschiebung von Asylsuchenden nach Ruanda gebilligt. Dazu meint die Londoner «Financial Times» am Mittwoch:

«Nach zwei Jahren Streit soll nun ein Gesetzentwurf in Kraft treten, der es der britischen Regierung erlaubt, einige Asylbewerber, die in kleinen Booten über den Ärmelkanal kommen, nach Ruanda zu transportieren - eines der ungeheuerlichsten britischen Gesetzesvorhaben seit Jahren. (?) Das Problem besteht nicht nur darin, dass dieser unmenschliche und äußerst kostspielige Plan sein Ziel möglicherweise nicht erreichen wird. Die rechtlichen Mittel, zu denen die Regierung gegriffen hat, um eine Blockade durch den Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs zu umgehen, schaffen einen verhängnisvollen Präzedenzfall für die britische Demokratie.

Dass eine Regierung ein solch dubioses Vorhaben derart hartnäckig vorantreibt, ist außergewöhnlich. Es gibt keine Garantie dafür, dass verzweifelte Migranten, die bereit sind, eine gefährliche Überfahrt in unsicheren Booten zu riskieren - fünf weitere, darunter ein Kind, kamen bei dem Versuch am Dienstag auf tragische Weise ums Leben - durch die nur geringe Wahrscheinlichkeit abgeschreckt werden, am Ende nach Zentralafrika gebracht zu werden. Um den Weg für diese Flüge freizumachen, werden in dem Gesetzentwurf einige Teile des britischen und internationalen Rechts «außer Kraft gesetzt». Das schadet dem Ruf eines Landes, das sich rühmt, das Gesetz und die Menschenrechte zu respektieren.»


«de Volkskrant»: Britischer Ruanda-Plan erscheint paradox

AMSTERDAM: Zum britischen Vorhaben, illegal eingereiste Migranten nach Ruanda abzuschieben, heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Die Regierung von Premierminister Rishi Sunak scheut weder Kosten noch Mühen. Bislang hat die versuchte Umsetzung des Plans den britischen Steuerzahler bereits fast eine halbe Milliarde Pfund gekostet. Eine stolze Summe für 300 Asylbewerber, junge Männer, die aus allen Ecken Asiens, Afrikas und des Balkans gekommen sind. Hunderte von Stunden haben Parlamentarier darüber diskutiert, Hunderte von Stunden haben Richter die Akten geprüft. Die Ruanda-Politik ist das Aushängeschild der angeschlagenen und von Skandalen geplagten Regierung Sunak, ihre vermeintlich einzige Chance, die Parlamentswahlen in diesem Jahr noch zu gewinnen. (...)

Es geht also zunächst um die Abschiebung von 300 Asylbewerbern, während in den letzten sechs Jahren etwa 120.000 Migranten über den Ärmelkanal ins Land gekommen sind. Sunak betont daher auch die beabsichtigte abschreckende Wirkung. Hierin liegt ein Paradoxon, denn Ruanda wird zugleich als ein schönes und sicheres Land im Aufschwung dargestellt, was Großbritanniens oberste Richter freilich anders sahen. Die Briten werden Anwälte zur Überwachung der Asylverfahren entsenden, und Ruanda darf Asylbewerber nicht an andere Länder weiterleiten, sondern höchstens nach Großbritannien zurückschicken.»


«NZZ»: UNRWA dient den Konfliktparteien im Nahen Osten

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den Untersuchungsbericht zur Palästinenserhilfsorganisation UNRWA:

«Wem dient die UNRWA? Den palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen dient sie nur vordergründig, denn sie hat sie in eine scheinbar ewige Abhängigkeit gedrängt. Vielmehr dient sie den Konfliktparteien ? Israel, der Hamas, der palästinensischen Führung, den arabischen Nachbarländern ?, die sich dank des Hilfswerks der Verantwortung entziehen können, eine Lebensgrundlage für diese Menschen zu schaffen und vor allem eine dauerhafte und gangbare Lösung für die verfahrene Lage im Nahen Osten zu finden.

Die UNRWA ist nicht die Ursache des Problems, sondern lediglich ein Symptom. Schafft man sie ab, ist weder die Flüchtlingsfrage im Nahen Osten gelöst, wie sich das manche erhoffen, noch sind die Bedürfnisse der Flüchtlinge gestillt. Ersetzt man sie durch eine neue Organisation, wird diese im selben von Antisemitismus, Islamismus und Korruption durchsetzten Raum tätig sein ? schnell entstünden neue Probleme. Es braucht neue, dezentrale Ansätze, die wirkliche Perspektiven bieten. Ein Neustart kann aber nur dann nachhaltig sein, wenn er im Rahmen einer von Realitätssinn und Pragmatismus geleiteten Lösung des Nahostkonflikts aufgegleist wird.»


«Tages-Anzeiger»: Europas Demokratie muss wehrhaft werden

ZÜRICH: Zu mutmaßlichen Versuchen Russlands und Chinas, die Wahlen zum Europaparlament im Juni zu beeinflussen, heißt es am Mittwoch im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Klar ist, dass Russland oder China ein Interesse haben, dass extremistische Parteien am rechten oder auch linken Rand des politischen Spektrums zulegen. Das gilt für nationale Wahlen, aber ganz besonders für die Europawahl Anfang Juni. (?)

Der Vormarsch der Populisten könnte die EU handlungsunfähig machen. Ein fragmentiertes Europa ist ein schwaches Europa, das auf Pekings unfairen Wettbewerb oder die Machtansprüche im Südchinesischen Meer keine Antworten hat. Ein schwaches und zerstrittenes Europa wird die Ukraine fallen lassen, sich Wladimir Putins imperialen Plänen nicht länger entgegenstellen.

Immerhin ist jetzt klar, wer extremistische Parteien wählt, wählt mehr Einfluss für Russland und China. Die selbst ernannten Patrioten verkaufen offenbar recht bereitwillig die Interessen ihrer Heimatländer. Das Erwachen der Ermittlungsbehörden und der Regierungen kommt spät. Ermittler müssen Geldflüssen systematischer nachgehen, Regierungen aktiver gegen Desinformation vorgehen. Demokratie muss wehrhaft werden, oder sie wird sich gegen autoritäre Regimes nicht behaupten können.»

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