Zeitungen zum Geschehen am Montag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Handelsblatt» zu Rafah-Offensive

Niemand bestreitet das Selbstverteidigungsrecht Israels ? nach dem Massaker, das die Hamas am 7.

Oktober an israelischen Zivilisten verübt hatte. Selbstverteidigungsrecht heißt aber nicht, das Völkerrecht brechen zu dürfen. Es befreit nicht von der Pflicht, Maß zu halten. Was ist noch Selbstverteidigung, was blinde Vergeltung, was sogar Völkerrechtsbruch? Die Abgrenzung ist in einem religiös aufgeladenen Konflikt, in dem beide Parteien in den vergangenen Jahrzehnten große Schuld auf sich geladen haben, nicht immer einfach. Viel aber spricht dafür, dass Netanjahu die roten Linien längst überschritten hat.


«Stuttgarter Zeitung» zu Merz

Merz darf sich in schwieriger Zeit gestärkt fühlen.

Ungeachtet aller Unkenrufe und Spekulationen über interne Widersacher haben sich die Christdemokraten bei der Wiederwahl ihres keineswegs unumstrittenen Parteichefs geschlossen gezeigt. Das ist auch ein Verdienst desselben ? vielleicht sein bisher überraschendster Erfolg. Der zweite hat noch mehr Gewicht: Merz ist es gelungen, der nach Merkels langem Regiment ermatteten, programmatisch verblassten Partei wieder Selbstbewusstsein einzuhauchen. Dank Merz hat die CDU nun eine klare Leitkultur ? weit umfassender, als das gleichlautende Schlagwort vermuten lässt. Die erste Hürde auf dem Hindernislauf Richtung Kanzleramt hat Merz damit überwunden. Doch er ist noch lange nicht auf der Zielgeraden ? und schon gar nicht am Ziel. Bis dahin könnte er noch stolpern. Dabei sind eigene rhetorische Unbeherrschtheiten ein geringeres Risiko als Schmutzeleien seines bayrischen C-Bruders Markus Söder.


«Sme»: Westen lässt Israel gewähren und untergräbt Völkerrecht

BRATISLAVA: ? Die slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Montag zum Verhalten von USA und EU im Gaza-Krieg:

«Am endlosen israelisch-palästinensischen Konflikt sieht man, wie die westlichen Staaten mit zweierlei Maß messen und die Regeln und ethischen Normen untergraben, die sie selbst im Völkerrecht festgelegt haben. So kritisiert und verurteilt die Mehrheit der Politiker des Westens die militärische Antwort auf den Angriff der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober. Dennoch fließt die Militärhilfe für Israel weiter und wächst sogar.

Als Reaktion auf die israelischen Angriffe und das Behindern von humanitärer Hilfe für den Gazastreifen hat der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2712 (2023) beschlossen, die Israel auffordert, einen schnellen, sicheren und uneingeschränkten Zugang für Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen. Die Resolution ist zwar bindend, aber Israel respektiert sie nicht. Stattdessen verursacht Israel enormes menschliches Leid für palästinensische Zivilisten, indem es die Lieferung von Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff beschränkt.

Doch wie schon früher, zum Beispiel als eine Resolution des UN-Sicherheitsrats Israel aufforderte, die Kolonisierung palästinensischer Gebiete zu stoppen, verlangen die starken Länder des Westens von Israel nicht die Einhaltung der Resolution. Gegenüber anderen Staaten gäbe es bereits Druckausübung in Form von Sanktionen. Bei Israel geschieht nichts dergleichen.»


«La Stampa»: Nicht heute, sondern morgen verhandeln

TURIN: Zum möglichen weiteren Kriegsverlauf in der Ukraine schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» am Montag:

«Die Behauptung, wir befänden uns nicht im Krieg mit Russland, ist in Bezug auf die Ukraine technisch gesehen richtig, aber im Hinblick auf die hybriden Aktivitäten gegen unsere Demokratien und die Ziele Moskaus im Mittelmeerraum und in Afrika ist sie eine Illusion. (...) Gerade weil Russland eine Herausforderung für Europa darstellt, die nicht in der Ukraine endet, ist es umso notwendiger, ihm einen militärischen Sieg zu verweigern, der den Widerstand Kiews brechen würde. Wie (Frankreichs Präsident Emmanuel) Macron die Entsendung von Truppen in die Ukraine nicht auszuschließen, ist eine logische Konsequenz dieser Feststellung. (...)

Die Botschaft an Kiew ist vielschichtig. Sie ist eine starke Zusicherung, aber auch eine indirekte Bestätigung dessen, was das ukrainische Militär anerkennt: Nicht heute, sondern morgen ist die Zeit für Verhandlungen mit den Russen gekommen. Unter den gegenwärtigen Umständen bedeutet dies, dass es zu Verhandlungen und Waffenstillständen kommt, ohne dass die von Russland besetzten Gebiete zurückerobert werden. Waffenstillstände frieren die Front ein. Die nächsten zwei Monate werden entscheidend sein. Wenn die Ukraine standhält, wird sie mit amerikanischer Hilfe in einer besseren Verhandlungsposition sein.»


«Los Angeles Times»: Trump-Biden-Debatte nur mit Anstand

LOS ANGELES: US-Präsident Joe Biden und sein wahrscheinlicher Herausforderer Donald Trump haben sich jüngst zu TV-Debatten bereit erklärt. Im vergangenen Wahlkampf 2020 ging es dabei laut und polemisch zu. So soll es diesmal nicht ablaufen, schreibt die «Los Angeles Times»:

«Die Debatten befriedigen nicht nur das Interesse mancher Zuschauer daran, ob die älteren Kandidaten geistige Aussetzer haben, sondern bieten den Wählern auch eine Gelegenheit, die Wesensarten der Kandidaten zu vergleichen und Unterschiede bei Themen zu erkennen. (...)

Die Moderatoren der Debatte können nicht, wie etwa vor Gericht, die Kandidaten wegen Missachtung von Anweisungen belangen, Geldstrafen verhängen oder Kandidaten, die sich danebenbenehmen, aus dem Saal verweisen. Aber sie haben die Möglichkeit, die Teilnehmer auf Kurs zu halten. So können sie beispielsweise entschlossen gegen Kandidaten vorgehen, die poltern, schikanieren, Zeitlimits ignorieren und Beschimpfungen von sich geben, indem sie ihre Mikrofone abschalten.

Auch sollte es Trump nicht gestattet sein, sich endlos in Belanglosigkeiten zu verlieren (ebenso wenig wie Biden) (...).

Damit Debatten ihre Funktion erfüllen können, muss es Regeln der Höflichkeit und des Anstands geben - und die Kandidaten müssen sich daran halten.»


«Politiken»: Macron hat recht - Wir stehen am Abgrund

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» meint am Montag zu Emmanuel Macrons Analyse zum Zustand Europas:

«Zivilastionen können untergehen, und ihr Ende kann brutal sein. Ist das die Situation, in der Europa sich befindet? Das meint Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron.

Aus Sicht des Élysée-Palastes kommt die Gefahr aus drei Richtungen. Zuallererst aus der Ukraine; Macron hat recht damit, dass es eine Katastrophe für Europa wäre, wenn Russland siegen würde. Danach aus China und den USA; es bestehe das Risiko, dass Europas Industrie und Forschung im Vergleich zu den beiden Supermächten deutlich zurückfallen. Schließlich sind da noch die internen Feinde: der Rechtsruck und der radikale Nationalismus, die in vielen Ländern Europas Rückenwind bekommen haben.

Die Grundanalyse ist vollkommen richtig, und es ist erfrischend, dass der mächtigste Präsident der EU das offen ausspricht. Wir stehen am Abgrund, es gibt Feinde und Herausforderungen an vielen Fronten. Aber wir können uns selbst retten.

Die Frage ist nur, wer das tun soll. Macron ist ein herausragender Analytiker, aber er ist auch Teil des Problems. Genau wie der deutsche Kanzler, Olaf Scholz, ist Macron deutlich besser darin, Reden zu halten und Veränderungen zu versprechen als politische Resultate zu liefern. Und das ist das größte Problem: dass der EU in solch einem entscheidenden historischen Moment handlungsfähige Regierungschefs fehlen und dass die Paris-Berlin-Achse den Leerlauf eingelegt hat. Macrons Analysen und Ideen sind richtig. Aber wo ist die politische Kraft, sie umzusetzen?»


«The Independent»: Harter Rechtskurs hat Tories geschadet

LONDON: Der Londoner «Independent» kommentiert am Montag die herben Verluste der Konservativen Partei bei den Kommunalwahlen in England:

«Wenn ein ständiger Rechtskurs die Antwort auf die Probleme der Konservativen wäre, hätte die Partei jedes Bürgermeisteramt im Land gewonnen, die Kontrolle über mehrere Stadträte erlangt und würde in den nächsten Monaten bei den Parlamentswahlen einen historischen fünften Sieg in Folge einfahren. Premierminister Rishi Sunak würde jetzt Pläne schmieden, um Großbritannien 2030er-Jahre zu führen. Es wäre das größte Comeback seit Lazarus. Stattdessen droht der Premierminister in einer Flut biblischen Ausmaßes unterzugehen.

Dies ist in der Tat bereits die am stärksten rechtslastige Regierung, die Großbritannien seit Jahrzehnten hatte. (?) Mit anderen Worten: Die harte Rechte hat ihre Chance gehabt. Ihre Ideen wurden auf die Probe gestellt und in jeder Hinsicht für unzureichend befunden.»


«NZZ»: China blickt hoffnungsvoll nach Europa

ZÜRICH: Zur Europareise des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping heißt es am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Die Rufe nach einem besseren Zugang für europäische Firmen zum chinesischen Markt werden immer lauter. Frankreich als eines der wichtigsten EU-Mitglieder unterstützt den Kurs. Es hat den Anschein, als schösse sich die Europäische Union zunehmend auf Peking ein. Bereits im Jahr 2019 hatte Brüssel die Volksrepublik China mit dem Etikett eines «systemischen Rivalen» versehen. (?)

In Brüssel setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass Europa gegenüber China an einem recht langen Hebel sitzt und dieser genutzt werden sollte. Weil die amerikanische Regierung chinesische Firmen zunehmend von Technologielieferungen abschneidet und amerikanische Investitionen im Reich der Mitte erschwert, blickt China nämlich hoffnungsvoll nach Europa. Chinas Wirtschaft durchlebt schwierige Zeiten. Deshalb ist das Land mehr denn je auf Investitionen europäischer Firmen und offene Märkte angewiesen. Dies können die Europäer für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen.»


«De Tijd»: Statt Enthusiasmus herrscht gegenüber China Misstrauen

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Montag die Europareise des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping:

«Es ist seine erste Reise nach Europa seit 2019. Seitdem hat sich die Stimmung gegenüber China komplett gedreht. Statt Enthusiasmus herrscht nun Misstrauen. Europa verdächtigt China, dass es versucht, europäische Konkurrenten mit subventionierten Produkten aus dem Markt zu drängen und Europas strategische Unabhängigkeit durch die Übernahme von Unternehmen zu untergraben. Das geht so weit, dass in den Augen einiger alles, was aus China kommt, a priori fragwürdig ist.

Auch die Tatsache, dass Xi Jinping und China sich im Ukraine-Konflikt nicht eindeutig von Russlands Präsident Wladimir Putin distanzieren, sondern im Gegenteil Moskau dabei helfen, die westlichen Sanktionen zu umgehen, belastet das Verhältnis zwischen Europa und China.

Allerdings haben die beiden Blöcke wenig davon, wenn sie ihre Handelsbeziehungen stark einschränken. Europa ist bei bestimmten Produkten auf China angewiesen - man denke nur an Materialien für Batterien - und umgekehrt benötigt China einige Hightech-Produkte aus Europa. Wenn sie anfangen, sich gegenseitig mit Einfuhrzöllen zu überziehen, wird keiner davon profitieren.»


«Nepszava»: Proteste an US-Unis erinnern an 1968

BUDAPEST: Zu den Protesten an amerikanischen Universitäten schreibt die links-liberale Budapester Tageszeitung «Nepszava» in einem Kommentar am Montag:

«Mit Rührungstränen in den Augen mögen sich die heutigen Boomer an das Jahr 1968 erinnern, an die umgestürzten Citroëns im (Pariser) Quartier Latin und an den Film «Blutige Erdbeeren» (1970), der den von Rock ?n? Roll und psychedelischen Drogen befeuerten Friedenskämpfern an der (New Yorker) Columbia University und ihrer Revolte gegen den Vietnam-Krieg ein Denkmal setzte. (...) Die Geschichte wiederholt sich: die Proteste (gegen die Unterstützung für Israels Krieg im Gazastreifen durch US-Präsident Joe Biden) gingen erneut von der Columbia University aus und erreichten die Unis an der Westküste. Studenten stießen mit der Polizei zusammen, mehrere tausend junge Leute wurden festgenommen. (...) Mitte August halten die Demokraten in Chicago ihren Parteitag zur Präsidentschaftsnominierung ab. Mehrere propalästinensische Demonstrationen wurden bereits angekündigt. 1968 wurden am selben Ort und anlässlich derselben Veranstaltung bei Zusammenstößen 500 Zivilisten und 152 Polizisten verletzt. Armer Joe Biden. Niemand wäre jetzt wohl gerne an seiner Stelle.»


«El País»: Wahl-Tsunami für Sunak

MADRID: Zu der Schlappe der Konservativen Partei des britischen Premierministers Rishi Sunak bei den Kommunalwahlen in England schreibt die spanische Zeitung «El País» am Montag:

«Die offensichtliche Schlussfolgerung aus diesem Wahl-Tsunami ist, dass die Briten einen intensiven Wunsch nach einem Wechsel zum Ausdruck gebracht haben. Die lauen Bemühungen des Premierministers, die von einem Jahrzehnt Brexit und Missmanagement gebeutelte Wirtschaft in Ordnung zu bringen, reichen ihnen nicht. Ebenso wenig seine scheinbare populistische Entschlossenheit, die Herausforderung der irregulären Einwanderung mit einem Ruanda-Abschiebeplan anzugehen, der vor Grausamkeit trieft oder zumindest alle Menschenrechtskonventionen ernsthaft gefährdet.

Den parteiinternen Aufstand hat der Premier bislang unterdrücken können. Aber nicht dank seines strategischen Geschicks, sondern wegen der bei den meisten konservativen Abgeordneten angesammelten Erschöpfung.»

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