Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Freitag

UN werfen israelischen Zivilisten Beschädigung von Hilfslieferung vor

NEW YORK: Die Vereinten Nationen haben israelischen Zivilisten vorgeworfen, für den Gazastreifen bestimmte Hilfsgüter aus Jordanien mutwillig beschädigt zu haben. Der Konvoi habe Lebensmittelpakete, darunter Zucker, Reis, Zusatznahrung und Milchpulver befördert, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq am Freitag. Eine begrenzte Menge davon sei am Donnerstag auf der Fahrt durch das Westjordanland von israelischen Zivilisten entladen und beschädigt worden. Auf weitere Hilfslieferungen aus Jordanien werde dieser Vorfall zunächst keine Auswirkungen haben. Die Lastwagen seien inzwischen im Gazastreifen angekommen und die Hilfsgüter würden wie geplant verteilt, hieß es weiter.

Haq warnte erneut vor einer israelischen Militäroffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens, wo laut der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als 1,2 Millionen palästinensische Zivilisten Schutz vor den Kämpfen in anderen Teilen des abgeriegelten Küstengebiets suchen. Der stellvertretende UN-Sprecher machte unter Berufung auf das UN-Kinderhilfswerk besonders auf das Schicksal der rund 600.000 Kinder in der an Ägypten grenzenden Stadt aufmerksam. Fast alle von ihnen seien «entweder verletzt, krank, unterernährt, traumatisiert oder behindert». Eine Offensive würde für sie eine weitere Katastrophe bedeuten, sagte er. Laut der WHO sind nur ein Drittel der 36 Krankenhäuser im gesamten Gazastreifen noch teilweise funktionsfähig. Drei davon befänden sich in Rafah.


WHO warnt vor «Blutbad» in Rafah

GAZA: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor den Folgen einer möglichen Bodenoffensive der israelischen Armee in der Stadt Rafah im Gazastreifen gewarnt. Die Organisation sei zutiefst besorgt, dass eine großangelegte Militäroperation «zu einem Blutbad führen könnte», teilte die WHO am Freitagabend auf X, ehemals Twitter, mit. Eine große Offensive würde zudem das ohnehin bereits kaputte Gesundheitssystem in dem Küstengebiet weiter schwächen, schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf X.

Nur ein Drittel der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen und 30 Prozent der Zentren für die medizinische Grundversorgung seien angesichts wiederholter Angriffe und des Mangels an lebenswichtigen medizinischen Hilfsgütern, Treibstoff und Personal in gewissem Umfang funktionsfähig, hieß es von der WHO weiter.

Mehr als 1,2 Millionen Menschen befänden sich derzeit in dem Gebiet, viele könnten nirgendwo anders hin, hieß es. Eine neue Vertreibungswelle würde den Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, Gesundheits- und Sanitärdiensten weiter einschränken, was zu vermehrten Krankheitsausbrüchen, einer Verschlimmerung des Hungers und weiteren Todesfällen führen würde.

Die israelische Regierung hat einen raschen Beginn der Offensive in Rafah angekündigt, sollte es nicht zu einer Einigung in indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal und eine Feuerpause mit der islamistischen Hamas kommen. Verbündete wie die USA haben Israel wiederholt vor einem großangelegten Angriff auf Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge aufhalten. Die Stadt ganz im Süden Gazas gilt nach rund sieben Monaten Krieg als einzige in dem Küstengebiet, die noch vergleichsweise intakt ist.


Biden empfängt kommende Woche Jordaniens König im Weißen Haus

WASHINGTON: US-Präsident Joe Biden will in der kommenden Woche Jordaniens König Abdullah II. in Washington treffen. Das kündigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Freitag an, ohne ein konkretes Datum für die Zusammenkunft zu nennen. Der jordanische König werde an einem «privaten Treffen» mit Biden im Weißen Haus teilnehmen, «während er in der Stadt ist». Weitere Einzelheiten gab es zunächst nicht. Hauptthema des Gespräches dürften einmal mehr der Gaza-Krieg und die Lage im Nahen Osten sein. Jordanien ist Nachbarland Israels und unter anderem eng in die Lieferung von Hilfsgütern für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen eingebunden.

Jordaniens König Abdullah II. war zuletzt Mitte Februar gemeinsam mit seiner Ehefrau, Königin Rania, im Weißen Haus zu Gast gewesen. Anlass war das 75. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Jordanien. Auch bei jenem Treffen stand die Lage im Nahen Osten im Zentrum.


IS-Anhänger töten 15 regierungstreue Kämpfer in Syrien

HOMS: Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien haben Aktivisten zufolge 15 Kämpfer einer regierungsnahen Miliz getötet. Das geht aus einer Mitteilung der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) am Freitag hervor. Die Angaben wurden auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur von einer Quelle im syrischen Gesundheitssystem bestätigt. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist den Aktivisten zufolge inzwischen ein erheblicher Anstieg an IS-Angriffen zu verzeichnen.

Dem Bericht zufolge gelang den IS-Anhängern am Freitag östlich von Homs ein Überraschungsangriff auf drei Stellungen der Nationalen Verteidigungskräfte, einer mit den Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad verbündeten Miliz. Dabei sollen schwere Waffen und Maschinengewehre zum Einsatz gekommen sein. Der Beobachtungsstelle zufolge soll es auch mehrere Verletzte gegeben haben - darunter auch reguläre Soldaten - sodass die Zahl der Toten weiter steigen könnte.

Der IS hat in Syrien kein Gebiet mehr dauerhaft unter seiner Kontrolle. Es gibt aber mehrere Zellen, die immer wieder Angriffe auf regimetreue Truppen und Zivilisten verüben. Allein in diesem Jahr sollen laut SOHR dabei bereits etwa 300 Soldaten und Miliz-Mitglieder getötet worden sein. Die Angriffe ereignen sich demnach vor allem in der westlichen Euphrat-Region sowie verschiedenen Wüstengebieten.


Armee: Opfer des Hamas-Massakers tot auf israelischem Gebiet gefunden

TEL AVIV: Ein Opfer des Hamas-Massakers ist Monate nach dem Überfall tot auf israelischem Gebiet gefunden worden. Dies teilten die israelischen Streitkräfte am Freitag mit. Der Mann sei bei dem aus dem Gazastreifen heraus geführten Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober des Vorjahres ermordet worden, hieß es in der Mitteilung. Da seine Leiche erst jetzt gefunden wurde, war man bislang davon ausgegangen, dass ihn die Terroristen als Geisel in den Gazastreifen verschleppt hatten.

Die Armee habe die Angehörigen des Opfers verständigt. Die Identifizierung der sterblichen Überreste sei durch ausführliche gerichtsmedizinische Untersuchungen erfolgt. Das Forum der Geiselangehörigen teilte am Freitag mit, dass der Mann als Sicherheitsmitarbeiter für das Nova-Musikfestival tätig war, das nahe an der Grenze zum Gazastreifen stattgefunden hatte. In dieser Funktion habe er zahlreiche Festivalgäste vor den Terroristen der Hamas und anderer extremistischer palästinensischer Gruppen gerettet, ehe er selbst ermordet wurde.

Bei der Attacke am 7. Oktober hatten die Angreifer 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs, den Israel mit unerbittlicher Härte führt, um die Hamas zu zerschlagen. Israel war vor mehreren Wochen noch davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 nach einem Austausch verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird aber befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.


Huthi-Miliz will Handelsschiffe auch im Mittelmeer angreifen

SANAA: Die Huthi-Miliz im Jemen hat eine Ausweitung ihrer Angriffe auf Handelsschiffe im Mittelmeer angekündigt. Ein Sprecher der Gruppe sagte am Freitag vor Anhängern in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, ab sofort sollten auch Schiffe angegriffen werden, die im Mittelmeer unterwegs zu israelischen Häfen seien. Die Huthi verfügen nach Einschätzung von Experten über Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern und könnten ihre Drohung somit theoretisch wahr machen.

Die mit dem Iran und der Hisbollah im Libanon verbündete Huthi-Miliz greift seit Monaten Handelsschiffe an, die an seiner Küste im Roten Meer und dem Arabischen Meer sowie dem weiteren Indischen Ozean vorbeifahren. Der Jemen liegt an einer der wichtigsten Handelsrouten weltweit, die Europa mit Asien verbindet. Auch an dem iranischen Angriff auf Israel mit Raketen und Drohnen Mitte April sollen sich die Huthi beteiligt haben. Der Angriff wurde jedoch weitgehend von Israel und seinen Verbündeten abgewehrt.

Die Huthi wollen nach eigenen Angaben ein Ende der israelischen Militäroperation im Gazastreifen erzwingen. Für den Fall einer Offensive auf die Stadt Rafah im Süden des Küstenstreifens kündigte der Huthi-Sprecher an, die Angriffe auf alle Schiffe auszuweiten, deren Betreiber mit Israel Geschäftskontakte unterhielten. Bisher wurden Schiffe ins Visier genommen, die von oder nach Israel unterwegs waren oder israelischen, britischen oder US-amerikanischen Unternehmen gehören.

Mehrere westliche Staaten sind an Einsätzen zur Abwehr der Huthi-Angriffe beteiligt. Auch die EU hat einen Militäreinsatz zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer gestartet, an dem sich Deutschland mit der Fregatte «Hessen» beteiligt hat, die inzwischen aber wieder auf dem Heimweg ist. An ihre Stelle soll im August die Fregatte «Hamburg» treten. Luftschläge der USA und Großbritanniens mit Unterstützung Verbündeter, die darauf abzielten, die Fähigkeiten der Huthi zu beschneiden, zeigten bisher nicht den gewünschten Erfolg.


Israel reicht bei OECD Beschwerde wegen Handelsboykotts der Türkei ein

PARIS/TEL AVIV: Die israelische Regierung hat bei der Industriestaatenorganisation OECD eine Beschwerde gegen Ankara eingereicht, nachdem die Türkei den Handel mit Israel wegen des Krieges im Gazastreifen vorübergehend eingestellt hatte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sei ein «antisemitischer Diktator», der mit dem Handelsboykott gegen internationales Seerecht verstoße und globale Lieferketten unterbreche, schrieb der israelische Wirtschaftsminister Nir Barkat am Freitag auf der Plattform X, vormals Twitter. «Wir erwarten, dass die OECD wegen der wahnhaften Entscheidung Erdogans, die der gesamten europäischen Wirtschaft schadet, gegen die Türkei vorgeht», fügte er hinzu.

Die Türkei hatte am Donnerstag wegen der israelischen Angriffe im Gazastreifen die Aus- und die Einfuhr aller Produkte mit Bezug zu Israel ausgesetzt. Der Handelsboykott bleibe so lange aufrecht, bis die israelische Regierung den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza erlaube, hatte es in Ankara geheißen. Erdogan hatte den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen wiederholt scharf kritisiert und Israel «Völkermord» an den Palästinensern vorgeworfen.

Die in Paris ansässige OECD vereint 38 Länder, die sich zu Demokratie und Marktwirtschaft bekennen. Die Türkei zählt neben Deutschland, den USA und weiteren 17 Ländern zu den Gründungsmitgliedern der seit 1961 bestehenden Organisation. Israel gehört seit 2010 zur OECD.


Erdogan verteidigt Aussetzung des Handels mit Israel

ISTANBUL: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Aussetzung des Handels mit Israel verteidigt. Man habe sich angesichts des Vorgehens Israels im Gazastreifen «nicht weiter gedulden» können, sagte Erdogan am Freitag. Das Handelsministerium hatte am Donnerstagabend die Unterbrechung aller Importe und Exporte mit dem Land bekannt gegeben, bis die israelische Regierung einen ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen in den Küstenstreifen erlaube.

Israels Außenminister Israel Katz reagierte empört auf die Entscheidung. «Auf diese Weise verhält sich ein Diktator, die Interessen des türkischen Volkes und der Geschäftsleute missachtend», schrieb Katz auf der Plattform X, vormals Twitter.

Der türkische Staatsführer sprach von einem Handelsvolumen in Höhe von 9,5 Milliarden US-Dollar, auf das man nun «verzichten» wolle. Aus Zahlen der türkischen Statistikbehörde geht ein Handelsvolumen von etwa 7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 hervor, der Großteil davon sind Exporte nach Israel. Anfang April hatte die Türkei bereits Exportbeschränkungen für bestimmte Güter im Handel mit Israel erlassen und diese mit der Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe verbunden.

Erdogan hatte den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen wiederholt scharf kritisiert und Israel «Völkermord» an den Palästinensern vorgeworfen. Die Entscheidung jetzt ist auch vor dem Hintergrund politischer Auseinandersetzungen innerhalb der Türkei zu sehen. Verschiedene Oppositionsparteien kritisieren die regierende AKP seit Monaten dafür, weiter Handel mit Israel zu betreiben. Beobachter gehen davon aus, dass Erdogans Partei auch darum erstmals in ihrer Geschichte als nur zweitstärkste Kraft aus den Kommunalwahlen Ende März hervorgegangen ist.


WHO: Gefahr von Hungersnot im Gazastreifen nicht vorüber

GENF: Im Gazastreifen gibt es nach Eindruck der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen etwas mehr Nahrungsmittel. Eine Hungersnot sei aber noch nicht abgewendet, sagte Rik Peeperkorn, der WHO-Vertreter für die Palästinensergebiete, am Freitag. In dem Küstengebiet läuft seit dem Herbst ein israelischer Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas - als Reaktion auf einen großangelegten Terrorangriff der Extremisten in Israel am 7. Oktober.

Wie die WHO berichtete, wurden seit März mehr als 40 stark unterernährte Kinder unter fünf Jahren mit zusätzlichen Gesundheitsproblemen in Krankenhäuser gebracht. Einige Zweijährige hätten nur noch rund vier Kilogramm gewogen - normal seien zehn bis 14 Kilo. Vor dem Ausbruch der Kämpfe im Oktober habe es im Gazastreifen praktisch keine Unterernährung gegeben.

Die Konsequenzen der Unterernährung könnten nicht in kurzer Zeit mit mehr Nahrung beseitigt werden, sagte Peeperkorn. «Wir werden die Folgen über Jahre spüren», sagte er. «Wir können nicht sagen, dass das Risiko einer Hungersnot nicht mehr besteht», sagte Ahmed Dahir, der Arzt, der das WHO-Büro in Gaza leitet. Peeperkorn war in Jerusalem, Dahir im Gazastreifen. Sie sprachen über Videolink mit Reportern in Genf.

Insgesamt sind nach Angaben der palästinensischen Behörden in den vergangenen Wochen etwa 25 unterernährte Kinder gestorben. Diese Kinder seien nicht verhungert, betonte Peeperkorn, aber die Unterernährung habe zu den Komplikationen beigetragen, die schließlich zu ihrem Tod geführt hätten. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben der palästinensischen Behörden nicht. Die UN-Behörden verweisen aber darauf, dass die Angaben dieser Behörden in der Vergangenheit verlässlich waren.

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