Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Handelsblatt» zu Wettbewerbsbericht

Der europäische Binnenmarkt wird im kommenden Jahr 40 Jahre alt.

Höchste Zeit also, das Werk endlich zu vollenden, wie der EU-Sonderbeauftragte Enrico Letta in seinem neuen Bericht fordert. Denn es bestehen nach wie vor zu viele nationale Hürden - nicht nur in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Finanzen. Man muss nur einen europäischen Dienstleister fragen, wie leicht es ist, im Nachbarland zu arbeiten, und wird erfahren, dass der Binnenmarkt in der Praxis oft nur auf dem Papier existiert. Schuld daran ist auch die Kommission, die nicht gegen die Abschottung der Mitgliedstaaten vorgeht. Lettas Weckruf ist also dringend geboten.


«Frankfurter Rundschau» zum Bahnschienennetz in Deutschland

Worte wie "Schande" und "Armutszeugnis" fielen am Mittwoch, als der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und das Bündnis Allianz pro Schiene die Lage zur Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken vorstellten.

Was sich Deutschland leistet, ist wirklich unwürdig: Im wichtigsten Transitland Europas ist nicht mal jeder zweite Schienen-Grenzübergang elektrifiziert. Dort, wo am effizientesten im Verkehrssektor null CO2-Emissionen erreicht werden können - Elektromobilität auf Gleisen - hinkt Deutschland mit einer Quote von 62 Prozent vielen anderen hinterher. Die Schuldigen sind einfach auszumachen: die Bundesverkehrsminister. Vier CSU-Ressortchefs in Reihe (Ramsauer, Dobrindt, Schmidt, Scheuer) haben durch fortgesetzte Untätigkeit ganze Arbeit geleistet. Der aktuelle Minister Volker Wissing (FDP) ist nicht besser, auch er baut viel lieber Autobahnen.".


«Stuttgarter Zeitung» zum Volksbegehren für G9 an Gymnasien

Die Bürgerbeteiligung wird von der gebildeten Mittelschicht getragen.

In dieser sozialen Gebundenheit findet sich der Grund, weshalb der größte Skandal der Bildungspolitik im Land bislang so unzureichend bearbeitet wird: Das ist die soziale Schieflage. Wenn ein Fünftel der Schülerschaft die grundlegenden Bildungsziele verfehlt, manifestiert sich darin ein politisches Versagen. Insofern ist es richtig, dass die Landesregierung entschiedener bei der Sprachförderung in den Kitas und in der Grundschule ansetzen will. Dort liegen die Krisenzonen der Bildungspolitik - weniger beim Gymnasium, auch wenn das einst aus dem Geist des Neoliberalismus geborene Turboabitur so unvollkommen sein mag, wie das Neunjährige sein wird.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Klinikreform

Karl Lauterbach hat zu seiner Krankenhausreform gesagt, der Bund werde diesbezüglich "nicht wackeln".

Tatsächlich besteht aber die Gefahr, dass aus der "Revolution", als die der Gesundheitsminister den Umbau bezeichnet hat, nicht viel wird. Sowohl die Bundesländer als auch die Klinikverbände legen sich quer. Immer klarer wird, dass sie an grundlegenden Strukturveränderungen nicht interessiert sind, sondern nur eine Finanzreform wollen: Am liebsten wäre ihnen, dass noch mehr Geld in das ineffiziente System fließt. . Es geht gerade nicht um eine schlechtere Patientenbetreuung, sondern um eine bessere. . Dafür sind bundeseinheitliche Qualitätsstandards in Form sogenannter Leistungsgruppen nötig. . Zumindest die Ampelkoalition weiß der Minister hinter sich. . Mit Geld kann man das malade Krankenhauswesen nicht kurieren.


«Münchner Merkur» zum Berliner 29-Euro-Ticket

Jetzt also auch noch ein 29-Euro-Ticket für Berlin.

Mit großzügiger Geste gönnt sich die Hauptstadt Wohltaten, die gewissenhafter wirtschaftende Regierende anderswo ihren Bürgern vorenthalten. Sie überstrapaziert auch die im Rest der Republik geübte Solidarität mit der Pleite-Kapitale. Der Länderfinanzausgleich-Hauptzahler Bayern etwa strich unter Stoiber einst sogar das Blindengeld, um aus den roten Zahlen rauszukommen. Derlei Sorgen plagen Arm-aber-sexy-Berlin offenbar nicht: In einer weiteren Extratour will der neue Regierende CDU-Bürgermeister Kai Wegner zum großen Ärger seiner Bundespartei jetzt auch noch die deutsche Schuldenbremse kippen. Darüber könnte man ja reden, aber nicht, wenn das Ziel ist, künftig noch ungenierter Wohltaten auf Pump zu verteilen. Immerhin des Beifalls der Grünen und Linken in Berlin und darüber hinaus darf sich Wegner damit aber sicher sein.


«WSJ»: Iran-Angriff bietet Biden Chance, Druck auf Hamas zu erhöhen

NEW YORK: Zu den bisher gescheiterten Verhandlungen über einen Geisel-Deal mit der Terrororganisation Hamas schreibt das «Wall Street Journal» am Mittwoch:

«Die Strategie von (US-) Präsident Biden, Israel unter Druck zu setzen und die Hamas um ein Abkommen für eine Waffenruhe und für die Geiseln anzuflehen, ist in einer weiteren Sackgasse gelandet. (...)

Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Hamas auf ein Abkommen einlässt, solange sie nicht das Messer am Hals spürt, wie es der Fall war, als Israel Gaza-Stadt stürmte. Dies hatte zur Freilassung von 105 Geiseln geführt. Doch seit Biden sich zum Beschützer von Rafah, der letzten Hochburg der Hamas, erklärt hat und Israel die meisten seiner Truppen abgezogen hat, sind die Chancen auf eine Einigung gesunken.

Der größte Hoffnungsschimmer liegt in Irans Fehleinschätzung, Israel direkt anzugreifen. Dies gibt Biden die Gelegenheit, seine Politik neu auszurichten und echten Druck auszuüben. Wenn Rafah auf dem Tisch liegt und den Terroristen in schicken Anzügen mit der Ausweisung aus Katar gedroht wird, wird es wieder einen Grund zum Reden geben.»


«Rzeczpospolita»: Herr Trump vor Gericht

WARSCHAU: Den Strafprozess gegen Ex-Präsident Donald Trump im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen kommentiert die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«Der Prozess (gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump) wird mindestens sechs Wochen dauern. Während dieser Zeit muss sich Trump an die Regeln des Gerichts halten. Keine Angriffe auf Gegner, kein Erheben der Stimme. Aussagen nur, wenn der Richter es erlaubt. Und Anwesenheitspflicht bei den Anhörungen. «Herr Trump», so sprach Richter Juan Merchan ihn unter Weglassung aller Titel an. Damit ist das Machtverhältnis zwischen beiden geklärt.

Wie Amerika darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Wird es dem Angeklagten seine Behauptung abkaufen, er sei Opfer einer Hexenjagd? Oder platzt der Mythos von Trump als unbesiegbarem Politiker? Besonders interessant wird die Reaktion der weiblichen Wählerschaft auf die Art, wie der Ex-Präsident mit Frauen umging. Es ist schwer vorherzusagen, denn es gibt keine Präzedenzfälle: Noch nie in der Geschichte der USA hat ein ehemaliger Präsident auf der Anklagebank gesessen, und das in einem Strafverfahren. Aber eines lässt sich schon jetzt sagen: Der Prozess gegen Trump wird ein spektakuläres Beispiel für die Stärke des amerikanischen Rechtsstaates.»


«Pravo»: Schutz der EU-Außengrenzen wird vernachlässigt

PRAG: Die Zeitung «Pravo» aus Tschechien schreibt am Mittwoch zum geplanten EU-Asyl- und Migrationspakt:

«Der EU-Migrationspakt wird seinen Zweck nicht erfüllen und die Probleme nicht lösen können. Das neue EU-Parlament und die neue Kommission werden sich erneut damit beschäftigen müssen. (...) Es überrascht immer wieder, dass dem Schutz der europäischen Grenzen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ständig hören wir, dass Gelder und Kräfte fehlen.

Ist dies denn kein wichtiges Instrument, um illegale Migranten von ihrer Reise abzuhalten? Wenn sich vom afghanischen Kabul bis zum guineischen Conakry die Neuigkeit verbreiten würde, dass Europa seine Außengrenzen effektiv sichert, könnten die Zahlen derjenigen sinken, die sich auf den Weg nach Europa machen wollen.

Wir sollten in diesem Zusammenhang aufmerksam beobachten, was in den USA geschieht. Der unzureichende Schutz der Südgrenze (...) ist zu einem Schlüsselthema der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl geworden. Davon profitiert Donald Trump auf Kosten Joe Bidens. (...) Sollte das nicht ein Memento für die sogenannten traditionellen Parteien in Europa sein, die sich gerade den Kopf darüber zerbrechen, wie sie dem Vormarsch der radikalen Rechten standhalten können?»


«The Irish Times»: Folgen des Strafprozesses gegen Trump unklar

DUBLIN: Die «Irish Times» kommentiert am Mittwoch den Strafprozess gegen Ex-Präsident Donald Trump im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen:

«Auf die Vorwürfe, die vor einem Gericht in Manhattan gegen ihn erhoben wurden, stehen bis zu vier Jahre Gefängnis. Aber eine Verurteilung würde Donald Trump juristisch nicht von der Präsidentschaft ausschließen. (.) Es ist nicht klar, wie seine Anhänger auf eine Verurteilung ihres Kandidaten reagieren würden, der in den Umfragen derzeit knapp vor Präsident Joe Biden liegt. «Die Wähler verstehen», sagte Trump, als er das Gerichtsgebäude betrat. Das mag sein, dennoch bleibt abzuwarten, wie sich das Verfahren auf ihr Abstimmungsverhalten auswirken wird.»


«Tages-Anzeiger»: China lobt Scholz für «Pragmatismus»

ZÜRICH: Zum China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz heißt es am Mittwoch im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 hatte Scholz nicht nur im Verhältnis zu Moskau eine Zeitenwende ausgerufen, sondern auch zu China, von dem Deutschland abhängiger ist, als es dies von Russland jemals war. (.)

Entgegen dem weltweiten Trend haben deutsche Großkonzerne wie BASF, Siemens, VW oder Bosch 2023 mehr in China investiert denn jemals zuvor: fast 12 Milliarden Euro. Die Mahnungen der Politik schlägt die deutsche Industrie mehrheitlich in den Wind. Sie baut ihr lukratives Geschäft in China aus, statt das Land zu verlassen. De-Risking heiße für Mercedes, sagte dessen Chef Ola Källenius gerade, mehr in China zu investieren, nicht weniger.

Deutschlands Kanzler wiederum kämpft nicht nur gegen die Rezession in seinem Land, sondern auch um den künftigen Wohlstand, der weiter stark von Exporten abhängen wird. China, dessen Wirtschaft ebenfalls schwächelt, wirbt ganz besonders um die Zusammenarbeit mit Deutschland und lobt Scholz für dessen «Pragmatismus» - ganz im Gegensatz zu den «protektionistischen» Amerikanern.»


«NZZ»: Konzerne müssen auf extreme Szenarien vorbereitet sein

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung zahlreicher Wirtschaftsvertreter:

«Haben denn Politiker und Konzernchefs nichts gelernt, wird sich mancher Beobachter fragen. Wandel durch Handel ist doch gescheitert, wie das Beispiel Russland gezeigt hat. Oder stimmt das nicht? (.)

Erfolgreicher Handel kann bestehende Systeme auch festigen. Manager und Unternehmer sollten das zwar berücksichtigen, aber sie können nicht nur in den Ländern Geschäfte machen, die ihnen politisch sympathisch sind, sonst wäre ihre Wirtschaftswelt derzeit sehr, sehr klein.

Das gilt besonders für China. Das Land mit dem nach den USA zweithöchsten Bruttoinlandsprodukt der Welt ist als größter globaler Auto- und Chemiemarkt, um nur zwei Beispiele zu nennen, viel zu wichtig, als dass es ignoriert werden könnte. Das gilt umso mehr für eine Handelsnation wie Deutschland, deren Wohlstand zu großen Teilen auf freiem Warenfluss beruht. Allerdings müssen sich Wirtschaftschefs auf extreme Szenarien vorbereiten, das ist spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine klar.»


«Corriere della Sera»: Netanjahu mit neuer Chance

MAILAND: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» sieht am Mittwoch den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach dem Angriff des Irans im Vorteil:

«Das ist die Sackgasse, in die sich Autokratien oft begeben: Sie sind gezwungen, ihre Muskeln spielen zu lassen, sowohl aus internen Gründen als auch aus Gründen der Reputation des Regimes, selbst wenn dies unklug oder sogar töricht ist. In der Tat zeigen die Folgen des Anschlags jetzt Teherans politische, diplomatische und militärische Schwäche. In diesem Sinne hat (US-Präsident Joe) Biden Recht, wenn er Netanjahu im Grunde sagt: Du hast einen Sieg errungen, nimm ihn an, wirf ihn nicht weg.

Entschlösse sich Netanjahu aus Rache, rundum oder anderweitig hart Vergeltung zu üben, verspielte er den unerwarteten Vorteil gleich wieder. Die Diplomatie und politisches Geschick bieten ihm jetzt die Chance, die neue Situation zu nutzen, um den Iran weiter zu isolieren, in einer Zusammenarbeit zwischen Israel, Washington, den sogenannten gemäßigten arabischen Ländern, London und Paris.»

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