Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zu Wahlrechtsreform

ES IST ANZUERKENNEN: Die Reform erreicht das wichtige Ziel, den Bundestag wieder auf eine halbwegs handhabbare Größe zu schrumpfen.

Und sie schafft mit der Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten tatsächlich auch eine größere Einfachheit und Klarheit. Aber der Preis dafür ist zu hoch. Die Reform hat die abenteuerliche Konsequenz, dass gerade dort, wo der Wahlkampf spannend und der demokratische Meinungskampf hautnah erlebbar ist, die Stimme der Wähler für ihren Direktkandidaten nicht zu zählen droht. Nur die klaren Wahlsieger in den Hochburgen der Parteien haben einigermaßen Gewissheit, in den Bundestag einziehen zu können. Dort, wo es knapp wird, also vor allen in den Großstädten, werden viele Wahlsieger leer ausgehen. Das ist eine Farce und macht die Demokratie zu einer Show-Veranstaltung ohne Substanz.


«Frankfurter Rundschau» zu Studie «Jugend in Deutschland 2024»

Wer aus der Studie "Jugend in Deutschland 2024" nur das Negative herausliest, sollte nicht vergessen: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, deutet mit dreien auf sich.

Es stimmt zwar, dass viele Befragte depressiv und erschöpft sind, sich keine Illusionen über die Zukunft machen und zu allem Überfluss 20 Prozent AfD wählen würden. Doch unterscheiden sie sich damit kaum von Älteren. Unterschlagen werden sollte nicht, dass die Generation Z politisch und engagiert ist, ihnen Probleme wie Klimawandel, ökonomische Entwicklung und die Kriege gegen die Ukraine sowie zwischen Israel und Hamas nicht fremd sind. Sie verweigern sich also nicht. Allerdings haben sie nicht auf alles Antworten oder Lösungen. Die werden gerade entwickelt. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass dies nicht die Aufgabe des Nachwuchses alleine ist und wir Mittel haben, die Schwierigkeiten zu beseitigen. Außerdem haben wir die Corona- oder die Energiekrise bewältigt. Warum soll uns das nicht bei den anderen gelingen?.


«Handelsblatt» zu Rückzug von Cum-Ex-Chefermittlerin Brorhilker

Die Gründe ihres Abschieds hat Brorhilker klar benannt.

Unzufriedenheit mit den Möglichkeiten zur Aufklärung. Mangelnder Rückhalt aus der Politik. Ihr Eindruck nach elf Jahren in der Mitte des Systems: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Weil sie, wie Brorhilker sagt, mit viel Geld und guten Kontakten auf eine "schwach aufgestellte Justiz" treffen. Zu diesem Prinzip gesellt sich eine vielzüngige Heuchelei. Vertreter aller Parteien beklagen mit scharfen Worten die Mängel der Aufklärung, wenn die politische Verantwortung gerade nicht in den eigenen Reihen liegt.


«Nepszava»: Eine Statue für Mike Johnson

BUDAPEST: Die linksliberale ungarische Tageszeitung «Nepszava» kommentiert am Dienstag die Rolle des republikanischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, beim Einlenken seiner Partei zugunsten der Freigabe der US-Hilfen für die Ukraine:

«Es ist ein seltener Moment in der Geschichte, wenn das Schicksal einer Nation in den Händen einer einzelnen Person liegt. Bei diesen Figuren handelt es sich größtenteils um blutrünstige Diktatoren, mit Ausnahme der Staatsmänner und -frauen, die uns später von Reiterstatuen und höherwertigen Banknoten aus anschauen. (...)

Wenn auch der Bildhauer bei Mike Johnson noch nicht Maß nimmt, gießt aber (der ukrainische) Präsident (Wolodymyr) Selenskyj seinen Namen bereits in Gold. Seit Dezember lief die Debatte zwischen der demokratischen und der republikanischen Fraktion des US-Kongresses darüber, ob die Vereinigten Staaten weiterhin aktiv die Freiheit und demokratische Werte in der Welt verteidigen oder in ihrer Außenpolitik einen eher isolationistischen und verschlossenen Weg einschlagen sollten. (...) Unabhängig von seinem weiteren politischen Schicksal wird Johnson in den Augen der Ukrainer noch lange ein Held bleiben.»


Zeitungen zum Geschehen am Dienstag


«Wall Street Journal»: Antisemitismus an US-Unis zu oft geduldet

NEW YORK: Zu den propalästinensischen Protesten an US-Universitäten, die zu ersten Festnahmen, aufgelösten Camps und dem vorübergehenden Umstellen auf Online-Unterricht an der Columbia University in New York führten, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Wer glaubt, dass die Besorgnis über Antisemitismus übertrieben ist, hat die Szenen an den Eliteuniversitäten nicht im Blick. Antiisraelische und antisemitische Proteste an der Columbia, Yale und anderswo werden immer hässlicher. Und es ist nicht klar, ob die progressiven Verantwortlichen dieser Einrichtungen der Aufgabe gewachsen sind, für Ordnung zu sorgen oder jüdische Studenten zu schützen. An der Columbia in New York City haben propalästinensische Demonstranten jüdische Studenten umzingelt, um sie von einem Protestcamp zu vertreiben, das den Rasen des Campus beherrschte. (...)

Diese Krise der liberalen Bildung hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Diese Schulen haben die Intoleranz gesät, die ihre Studenten zeigen, indem sie Identitäts- und linke Politik über den freien Austausch von Ideen stellten. (...) Antisemitismus wird an den Lehrstühlen für Nahoststudien zu oft geduldet.(...) Die Präsidenten der Hochschulen müssen die Verantwortung übernehmen, die Ordnung wiederherstellen und die jüdischen Studenten schützen - oder die Kuratoren sollten sie entlassen und jemanden finden, der das tut.»


«La Repubblica»: Fatale Fehler vor dem 7. Oktober

ROM: Zum Rücktritt des Direktors des israelischen Militärgeheimdienstes und dem Versagen der Verantwortungsträger vor dem 7. Oktober schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Dienstag:

«Der erste israelische Verantwortungsträger nach der Katastrophe vom 7. Oktober ist gefallen. Aharon Haliva, Direktor des israelischen Militärgeheimdienstes, trat zurück. (...) Die Fehlerkette und die schwere Unterschätzung der Möglichkeit, dass die Hamas die Grenze trotz der erhaltenen Warnungen durchdringen könnte, ist ein Felsbrocken auf dem Gewissen, den die gesamte israelische Befehlskette einkalkulieren muss, wenn die Krise, die sich nun mit dem Angriff auf Rafah auszubreiten droht, zu Ende geht.

Kein Beamter machte sich vor dem 7. Oktober Sorgen. Fatale Fehler. Auf Halivas Schultern, und nicht nur auf seinen, lasten noch andere. Es ist der erste, aber sicher nicht der letzte Kopf, der fällt. Die öffentliche Meinung verlangt, dass jemand dafür bezahlt, nicht nur dafür, dass er zugelassen hat, dass der 7. Oktober das ganze Land schockiert hat, sondern auch für das Versagen von sechseinhalb Monaten, in denen die Geiseln in den Händen der Hamas gefangen bleiben und der Anführer der Terroristen, Jihia al-Sinwar, frei und unauffindbar ist.

Nicht nur von der militärischen Befehlskette wird erwartet, dass die Rechnung beglichen wird: Die Opposition fordert eine Untersuchungskommission, eine Anregung, die Haliva selbst erwähnt hat. Und sie will, dass sich Netanjahu ein Beispiel an seinem General nimmt.»


«NZZ»: Die FDP hat keine Chance

ZÜRICH: Zum FDP-Papier für eine «Wirtschaftswende» heißt es am Dienstag in der «Neuen Zürcher Zeitung» (Online-Ausgabe):

«Natürlich müsste die deutsche Regierung, nur als Beispiel, das «Bürgergeld» korrigieren und deutlich schärfere Sanktionen für Menschen einführen, die auf Kosten der Steuerzahler leben und Arbeitsangebote ablehnen. Natürlich müsste ein Irrsinn wie die «Rente mit 63» in einer alternden Gesellschaft gekippt werden. Und natürlich sollte die Koalition auch das «Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz» - allein dieser Name! - aussetzen und nach dem Start der entsprechenden EU-Richtlinie alle denkbaren Spielräume ausreizen.

Politisch wird die skizzierte Wende mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dennoch ausbleiben. Es wird sie garantiert nicht mit den beiden linken Regierungspartnern von heute geben und, das lehrt die historische Erfahrung, wohl auch nicht im Bündnis mit der Union - falls Letztere denn die nächste Bundestagswahl gewinnen und die FDP diese überleben sollte. (.)

Die FDP hat recht mit ihren zwölf Punkten für eine «Wirtschaftswende», auch wenn der Zeitpunkt der Veröffentlichung dem Parteitag am nächsten Wochenende, den Wahlen später im Jahr und der demoskopischen Misere geschuldet sein mag. Aber sie hatte nie, und sie hat auch jetzt keine Chance. Sie hat keine politischen Verbündeten, nicht einmal mehr in der Union. Und sie ist Teil einer politischen Öffentlichkeit, die ihr in weiten Teilen feindselig gegenübersteht.»

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