Zeitungen zum Geschehen am Freitag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Gewaltdynamik in Nahost

(.) In der Schulhoflogik der nahöstlichen Vergeltungspolitik geht es auch darum, vor den eigenen Leuten nicht als Verlierer dazustehen.

Dazu passt das präpotente Gebaren iranischer Funktionäre, die über den begrenzten Umfang des Gegenschlags spotten. Immerhin senden beide Seiten mit ihren Aktionen das Signal, dass sie derzeit keine weitere Ausweitung der Kampfzone anstreben, nachdem sie nach Jahren des Schattenkriegs erstmals offene Schläge ausgetauscht haben. Iran sicherlich, weil es eine Machtdemonstration Israels fürchtet; Israel wahrscheinlich, weil der Druck des Westens wirkt. Nun bleibt zu hoffen, dass diese eingeschränkt gewaltsame Lösung für beide Seiten hinreichend gesichtswahrend ist und sich der internationale Fokus wieder auf Gaza richten kann, wo jeden Tag Menschen sterben.


«NZZ»: Putin führt einen hybriden Kampf gegen Deutschland

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag die Festnahme von zwei mutmaßlichen Spionen Russlands in Bayreuth:

«Bundeskanzler Olaf Scholz ist es besonders wichtig, dass Deutschland keine Kriegspartei in der Ukraine wird. Das hob er in letzter Zeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit hervor. Eine Tatsache geriet dabei allerdings in den Hintergrund: Russland und Wladimir Putin betrachten Deutschland schon lange als Gegner. Die Festnahme zweier Russlanddeutscher, die mutmaßlich im Auftrag eines russischen Geheimdienstes Sabotageakte geplant haben sollen, hat das nun deutlich vor Augen geführt. (.)

Kein Land in Europa tut mehr für die Ukraine als Deutschland. Das ist ohne Zweifel richtig. Aus der Sicht des russischen Regimes aber wird die Bundesrepublik damit ein Ziel. Weil Putin jedoch nicht offen militärisch agieren kann, ohne den Nato-Bündnisfall heraufzubeschwören, führt er einen hybriden Kampf. Desinformationskampagnen und Cyberangriffe gehören seit Jahren zu dieser Art der verdeckten Kriegsführung gegen Deutschland. (.)

Die Verhaftung von Bayreuth zeigt, wie bedroht Deutschland ist. Es steht im Zentrum einer neuen geopolitischen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Russland. Die Bundesrepublik kann den Krieg in der Ukraine nicht vollständig von sich fernhalten. Vor dieser Realität darf das Land die Augen nicht verschließen. Die Frage ist, welche Rückschlüsse der «Friedenskanzler» daraus zieht.»


«The Times»: Georgien darf nicht Putins nächstes Opfer werden

LONDON: Das Parlament Georgiens hat in erster Lesung ein umstrittenes Gesetz nach russischem Vorbild zur Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen verabschiedet. Dazu meint die Londoner «Times» am Freitag:

«Neben der Ukraine und anderen Ländern ist Georgien eine der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Russlands «nahes Ausland» bilden. Von daher betrachtet Präsident Putin diese schöne und gebirgige Ecke des Kaukasus - der Geburtsort von Josef Stalin - als rechtmäßig sein Land.

Die meisten der 3,8 Millionen Einwohner Georgiens sind anderer Meinung. Seit Jahren hofft man darauf, dass das Land in die Europäische Union und schließlich in die Nato aufgenommen und damit als vollwertiges Mitglied im Club der westlichen Demokratien bestätigt wird. Aber diese Ambition beginnt, in etwas Dunkleres abzugleiten: eine autoritäre und isolierte Zukunft, die dieses kleine und verletzliche Land für die Art von Invasion öffnen würde, die Putin im Februar 2022 gegen die Ukraine gestartet hat. (.)

Obwohl die westlichen Mächte mit den Ereignissen in der Ukraine beschäftigt sind, müssen sie ein wachsames Auge auf Georgien haben. Putin hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das «nahe Ausland» für Russland zurückzugewinnen. Georgien darf nicht das nächste Opfer einer tödlichen Umarmung des russischen Bären werden.»


«de Volkskrant»: Geopolitische Rivalität zwingt EU zum Handeln

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Freitag den EU-Sonderbericht des ehemaligen italienischen Regierungschefs Enrico Letta zur Wettbewerbsfähigkeit Europas:

«Er plädiert für eine radikale Vertiefung des Binnenmarktes mit mehr europaweit einheitlichen Regeln, die es Unternehmen und Investoren erleichtern, auf dem gesamten Kontinent Geschäfte zu machen. Nur dann könne die EU weiterhin mit den Vereinigten Staaten und China konkurrieren, so Enrico Letta.

Mit dem Aufstieg Asiens verliert Europa wirtschaftlich und demografisch rapide an Gewicht in der Welt. Auch der Vergleich mit den USA fällt zuungunsten Europas aus. 1993 waren ihre Volkswirtschaften noch etwa gleich groß. Seitdem ist die europäische Wirtschaft um 30 Prozent und die amerikanische um 60 Prozent gewachsen. (...)

Früher oder später wird die zunehmende geopolitische Rivalität die EU zum Handeln zwingen. Europa muss sich gegen die Konkurrenz aus China verteidigen, das staatlich subventionierte Produkte zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt bringt. Zudem wird Europa auf die Dynamik der USA reagieren müssen, die Milliarden an Klimasubventionen durch einfache Steuersenkungen verteilen, während die EU nur komplexe und bürokratische Subventionsregelungen kennt.»


«La Repubblica»: Frauen gegen Rückschritte bei Abtreibungsrecht

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» meint am Freitag zum wieder aufgeflammten Streit ums Abtreibungsrecht in vielen Ländern:

«Überall in der westlichen Welt ist die Frage der Abtreibung ins Zentrum der Politik zurückgekehrt. Der uralte Kampf um den Körper der Frau, ihre Freiheit, ihre unantastbare Entscheidungsfreiheit tobt überall dort, wo Rechte an der Macht sind oder an die Macht kommen könnten. (...) Die Frauen, auch die der Rechten, sorgen sich um ihre Entscheidungsfreiheit und ihre erworbenen Rechte. Und sie haben nicht die Absicht, in die Zeit der Milchmädchen und der heimlichen Abtreibungen zurückzukehren.

Selbst Donald Trump hat das sehr gut verstanden. In der Abtreibungsfrage ist er ungewöhnlich vorsichtig und maßvoll und will die Entscheidung den Gesetzen der einzelnen Staaten überlassen. Denn selbst in den Vereinigten Staaten akzeptieren die republikanischen Frauen, wie die Umfragen zeigen, bei diesem Thema in überwältigender Mehrheit keine Sprünge zurück in die 1950er Jahre.»

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