Großdemonstration gegen Regierungschef

Armische Polizisten blockieren eine Straße. Archivfoto: epa/NAREK ALEKSANYAN
Armische Polizisten blockieren eine Straße. Archivfoto: epa/NAREK ALEKSANYAN

ERIWAN: Armeniens Regierungschef Paschinjan will nach jahrzehntelangem Konflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan einen Friedensvertrag aushandeln. Doch die Bedingungen rufen Verdruss im eigenen Land hervor.

In Eriwan, der Hauptstadt der Südkaukasusrepublik Armenien, sind Zehntausende Menschen gegen Regierungschef Nikol Paschinjan auf die Straße gegangen. Die Demonstranten unter Führung des Erzbischofs von Tawusch, Bagrat Galstanjan, forderten den Rücktritt Paschinjans, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vor Ort berichtete. Grund für die Empörung sind weitere territoriale Zugeständnisse der armenischen Regierung an das Nachbarland Aserbaidschan nach dem bereits verlorenen Krieg um die umstrittene Region Berg-Karabach.

Galstanjan forderte Paschinjan zunächst zum Rücktritt innerhalb von nur einer Stunde auf. Nachdem dies Ultimatum unbeantwortet blieb, kündigte er weitere Maßnahmen an. So sollen die Demonstranten die Nacht auf dem zentral gelegenen Platz der Republik in Eriwan verbringen. Mit drei Fraktionen im Parlament werde über ein Misstrauensvotum gegen Paschinjan verhandelt, sagte der Erzbischof. Allerdings ist unklar, wie viele Mitglieder der Regierungspartei «Zivilvertrag» sich gegen Paschinjan stellen werden. Zivilvertrag stellt die absolute Mehrheit im Parlament.

Paschinjan steht innenpolitisch wegen des Konflikts mit Aserbaidschan stark unter Druck. In den 1990er Jahren im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion hatte sich die mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach mit Hilfe Eriwans von Baku gelöst. Das ölreiche und dadurch inzwischen stark aufgerüstete Aserbaidschan konnte die Region jedoch 2020 in einem kurzen Krieg zunächst teilweise zurückerobern. Im September 2023 erlangte Aserbaidschan durch eine weitere Offensive wieder die vollständige Kontrolle über Berg-Karabach, was die Flucht fast der gesamten ethnisch-armenischen Bevölkerung von 120.000 Menschen zur Folge hatte.

Überdies gibt es zwischen beiden Ländern weitere Grenzstreitigkeiten. Aserbaidschan, das in dem Konflikt von der Türkei unterstützt wird, erhebt weitere Gebietsforderungen an den wirtschaftlich und militärisch schwächeren Nachbarn. Um einen Friedensvertrag zu erzielen, hatte Paschinjan zuletzt Entgegenkommen in der Frage signalisiert. Im eigenen Land stößt dies auf großen Widerstand.

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