Humor ist...

Humor ist...

…nicht der anzügliche Witz, den die Stammtischrunde brüllend belacht, nicht die schlüpfrige Zote über eine leicht bekleidete Frau und noch weniger das boshaft benutzte Wort „Tunte“ für einen etwas effeminierten Mann. Humor ist die Begabung, Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen und sich dabei selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Den Deutschen sagt man – im Gegensatz zu den Engländern mit ihrem schwarzen Humor – Humorlosigkeit nach. Dies ist ein Versuch, dieses Vorurteil zu widerlegen.

Nachdem der Narr am Hofe des Königs seiner Funktion beraubt wurde und das Lachen in den Klöstern als der obszönste Weg galt, um das Schweigegelübde zu brechen, haben Schriftsteller und Bürger Humor zu einem Thema der Volkskunst gemacht. Karneval, Fasching, Aufführungen von Schwänken, Till Eulenspiegel und das Kasperle sorgten für Abwechslung und lustige Begebenheiten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich „Humor von unten“ durch, wurden Karikaturen, Witzblätter und Satiren ein wichtiges Mittel der demokratischen Bewegung im Kampf gegen Aristokratie und Absolutismus.

Der erste deutsche Humorist, der mir in jungen Jahren aus dem Volksempfänger (auch „Goebbels Schnauze“ genannt) bekannt wurde war Wilhelm Bendow (1844 bis 1950). Sein Sketch „Auf der Rennbahn“ begeistert mich heute noch. Millionen kennen den Ausspruch: „Ja, wo laufen sie denn?“ Dieser Sketch wurde später von Loriot mit einem Zeichentrickfilm unterlegt und ihm deshalb fälschlicherweise zugeschrieben.

Der nächste große Humorist war für mich Karl Valentin mit seiner Partnerin Liesl Karlstadt. Über ihre gemeinsamen Auftritte habe ich Tränen gelacht. Mit den gereimten Witzen von Heinz Erhardt konnte ich weniger anfangen, obwohl er die größten Säle durch das Gelächter des Publikums in Einsturzgefahr brachte.

Aber dann kam Loriot, alias Vicco von Bülow. Für mich war er eine Lichtgestalt des deutschen Humors. Ihm galt und gilt meine höchste Verehrung. Ich hatte das Glück, ihm 1979 den Deutschen Kleinkunst-Preis überreichen zu dürfen. Später ging ich mit einem eigenen unterhaus-Ensemble auf mehrere große Loriot-Tourneen durch die BRD und hatte die Ehre und das Vergnügen, alle seine großen Sketche zu spielen. Ob es „Das Ei“, „Der Lottogewinner“, „Der Kosaken-Zipfel“ oder „Zwei Herren im Bad“ waren, wir wurden mit Beifall überschüttet. Den Badewannen-Sketch gab es von Loriot nur als Zeichentrickfilm. Wir spielten ihn echt und splitternackt. Die Kritik war voll des Lobes.

Es würde den Umfang dieser Kolumne sprengen, wenn ich all die Komiker und Kabarettis­ten aufzählte, die den Humor in Deutschland zur Geltung und Größe verholfen haben. Hier nur einige wenige wichtige Namen: Werner Finck, Gerd Dudenhöffer, Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, Otto Waalkes, Volker Pispers, Urban Priol, Dieter Hallervorden oder Herbert Bonewitz. Sie alle wuss­ten und wissen: Humor ist keine Gabe des Geistes, sondern eine Gabe des Herzens.

Heutzutage beherrschen die „Comedians“ die Bühnen. Ich habe sie lange nicht beachtet und nicht für mein Theater verpflichtet. Mit meinen Partnern war ich der Meinung, wenn diese Leute drei Witze kennen, dann gehen sie auf die Bühne und nennen sich Comedian. Ich gebe gerne zu, dass diese Situation sich grundlegend geändert hat. Inzwischen führen Künstler die Szene an, denen ich größte Hochachtung zolle. Stattdessen ist die Riege der Kabarettis­ten geschrumpft, obwohl die Zeit nach Satire schreit. Aber es gibt sie noch. Und so bleibt zum Schluss die Feststellung:

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“

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