G7 setzt Zeichen für Ukraine und Nahost

US-Außenminister Antony Blinken (l-r), der französische Außenminister Stephane Sejourne, die kanadische Außenministerin Melanie Joly, der italienische Außenminister Antonio Tajani, die japanische Außenministerin Yo... Foto: Gregorio Borgia/Ap/dpa
US-Außenminister Antony Blinken (l-r), der französische Außenminister Stephane Sejourne, die kanadische Außenministerin Melanie Joly, der italienische Außenminister Antonio Tajani, die japanische Außenministerin Yo... Foto: Gregorio Borgia/Ap/dpa

CAPRI: Die Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien macht sich für mehr Flugabwehr für Kiew und eine stärkere Isolierung Teherans stark. Es soll ein Signal an Moskau und die Mullahs sein. Ob es wirkt?

Angesichts der Kriege in der Ukraine und Nahost will die Siebenergruppe großer westlicher Industrienationen (G7) ein Zeichen der Unterstützung setzen. Bei ihrem Frühjahrstreffen auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri berieten die G7-Außenminister am Donnerstag über weitere militärische Unterstützung für Kiew gegen russische Luftangriffe. Zudem ging es nach dem iranischen Großangriff auf Israel um weitere Sanktionen gegen Teheran - auch mit dem Ziel, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von einem großangelegten Gegenschlag abzuhalten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warb bei dem noch bis Freitag dauernden Treffen bei den Partnern dafür, der Ukraine weitere Systeme zur Luftabwehr zur Verfügung zu stellen. Deutschland bereitet gerade die Lieferung eines dritten Patriot-Systems vor.

Italien hat in der Gruppe derzeit den Vorsitz. Weitere Mitglieder sind die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Japan. Die EU ist bei allen Treffen vertreten. Erstmals war auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als offizieller Gast dabei. Er forderte die Bündnispartner zur Lieferung weiterer Luftabwehrsysteme für die Ukraine auf.

Baerbock zu Nahost: Iran stärker isolieren

Beim zweiten großen Thema des Treffens, der Lage in Nahost, warb Baerbock für einen härteren Kurs gegen Teheran. «Der Iran muss isoliert sein. Und zugleich darf es zu keiner weiteren Eskalation kommen.» Sie fügte hinzu: «Das wäre für die Menschen fatal: in Israel, im Westjordanland, im Libanon, in der gesamten Region.» Israel, das die Attacke am Wochenende auch mithilfe von Partnern in der Region abgewehrt hatte, habe einen «Defensivsieg» errungen. «Und den gilt es jetzt diplomatisch abzusichern.»

Der Gastgeber des Treffens, Italiens Außenminister Antonio Tajani, versicherte Israel im Namen aller G7-Staaten Unterstützung. Zugleich mahnte er beide Seiten zur Deeskalation. Befürchtet wird, dass es bei einem großen israelischen Gegenschlag in der Region zu einem Flächenbrand kommt, weit über den seit sechs Monaten laufenden Gaza-Krieg hinaus.

In der Debatte um weitere Sanktionen gegen den Iran sprach sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dafür aus, bestehende Strafmaßnahmen wegen der Lieferung von Drohnen an Russland endlich umzusetzen beziehungsweise auszuweiten. Die USA und Großbritannien verhängten bereits Sanktionen gegen Teheran. Die US-Strafmaßnahmen zielen auf das iranische Drohnenprogramm, die Stahlindustrie und Automobilhersteller. Die EU könnte nächste Woche weiteren Sanktionen folgen lassen.

Baerbock sieht hoffnungsvolle Zeichen aus den USA

Baerbock warb auch bei einem Zweiertreffen mit ihrem US-Kollegen Antony Blinken für die Lieferung zusätzlicher Patriots an die angegriffene Ukraine. Sie sagte zuvor: «In diesen stürmischen Zeiten ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es jetzt aus den USA Signale gibt von den Republikanern, dass die Unterstützung für die Ukraine weiter intensiv fortgesetzt werden kann.» Das US-Repräsentantenhaus wird voraussichtlich am Samstag über ein lange von den Republikanern blockiertes Hilfspaket über 61 Milliarden US-Dollar (etwa 57 Milliarden Euro) abstimmen.

Kuleba an USA: Endlich Hilfspaket verabschieden

Blinken kam auch mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba zusammen. Es sei «dringend erforderlich, dass alle Freunde und Unterstützer der Ukraine ihre Anstrengungen maximieren, um der Ukraine das zu geben, was sie braucht, um sich weiterhin wirksam gegen diese russische Aggression zu verteidigen». Kuleba berichtete, man habe besprochen, so schnell wie möglich mehr Patriot-Luftverteidigungssysteme und -Raketen in die Ukraine zu bringen. Ans US-Parlament appellierte er, das Hilfspaket zu verabschieden. «Dies wird ein Zeichen der Stärke und des Vertrauens sein und es der Ukraine ermöglichen, Leben zu retten und die Situation auf dem Schlachtfeld zu verbessern.»

Stoltenberg sagte, angesichts der Lage nach mehr als zwei Jahren russischem Angriffskrieg bestehe «dringender Bedarf an mehr Luftverteidigung». Er sprach von «ermutigenden Signalen» innerhalb der Nato zugunsten der Ukraine. Damit bezog sich Stoltenberg auf die Bundesregierung, aber auch auf neue Hilfszusagen aus den Niederlanden und Dänemark. Mit dem Appell zu weiteren Lieferungen bezog er sich auch auf G7-Staaten wie Frankreich und Italien.

EU-Außenbeauftragter Borrell: Schnell handeln

Borrell mahnte: «In den nächsten Tagen müssen konkrete Entscheidungen getroffen werden, um der Ukraine mehr Luftabwehr zu schicken.» Dabei dürfe sich die EU nicht allein auf Washington verlassen, sondern müsse Verantwortung übernehmen. «Wir haben Patriots. Wir haben Anti-Raketen-Systeme. Wir müssen sie aus unseren Kasernen holen, wo sie sich befinden, und sie in die Ukraine schicken, wo der Krieg tobt.»

Die G7-Außenminister kommen zwei oder drei Mal pro Jahr zu eigenen Treffen zusammen. Mitte Juni findet in Süditalien der alljährliche G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt.

G7-Außenminister reden über China
Christoph Sator und Jörg Blank (dpa)

Letzter Tag des Treffens der G7-Außenminister auf Capri. Zum Abschluss geht es um Cyber-Sicherheit und China. Aber wichtiger ist wohl, was zu den Kriegen in der Ukraine und in Nahost gesagt wird.

Mit Beratungen über das Verhältnis zu China, Cyber-Sicherheit und Energieversorgung endet an diesem Freitag auf Capri das Frühjahrstreffen der G7-Außenminister. Zudem will die Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) die kritische Ernährungslage in vielen Ländern der Welt zum Thema machen. Mit Spannung wird erwartet, was in der traditionellen Abschlusserklärung zu den Kriegen in der Ukraine und Nahost gesagt wird.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Donnerstagabend im ZDF-«heute journal», angesichts der verheerenden russischen Luftangriffe auf die Ukraine müsse mehr westliche Militärhilfe her. «Auf der ganzen Welt müssen wir die Luftverteidigung, die wir haben, zusammenkratzen.» Energisch wies sie Kritik zurück, die EU zögere bei der militärischen Unterstützung. «Wir warten auf gar nichts. Wir können nur nicht hexen und zaubern», sagte sie.

Kanzler Scholz sagte zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel, er habe dort um weitere Lieferungen von Flugabwehrsystemen geworben. Nach seinen Angaben hat die Ukraine konkret um sieben zusätzliche Patriot-Systeme gebeten. Nachdem Deutschland nun eines zugesagt habe, sei zu hoffen, dass in anderen Nato-Staaten noch sechs weitere gefunden würden.

Baerbock sagte zum Großangriff des Iran auf Israel mit Hunderten Raketen und Drohnen vor knapp einer Woche, die Bundesregierung habe zusammen mit der EU den Ton gegenüber Teheran deutlich verschärft und inzwischen «zig Sanktionsregime auf den Weg gebracht». Den Vorwurf, Sanktionen seien quasi nutzlos und zeugten von Hilflosigkeit, wies Baerbock zurück. Vielmehr zeigten sie Ländern wie dem Iran und Russland, dass der brutale Bruch mit der friedlichen Weltordnung nicht toleriert werde. Anlass der iranischen Attacke war ein Luftangriff auf das Botschaftsgelände des Iran in Syrien Anfang April, für den mutmaßlich Israel verantwortlich ist.

Verhältnis zu China

Mit Blick auf das zunehmend aggressive Auftreten Chinas in der Region des Indischen Ozeans und des Pazifiks hatte Baerbock schon zum Auftakt des Treffens erklärt, dies spürten nicht nur die Pazifik-Anrainer der G7 wie die USA, Kanada und Japan, sondern auch Europa. Die autoritär regierte Volksrepublik gewinnt seit einigen Jahren international sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf politischem Gebiet an Bedeutung.

Auf Einladung des derzeitigen Vorsitzenden Italien treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Siebenergruppe Mitte Juni im Süden des Landes zu ihrem jährlichen Gipfel. Die Außenminister kommen dann im November nochmals zusammen. Der Gruppe gehören die USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Frankreich, Italien und Deutschland an.

Selenskyj per Video bei Nato-Ukraine-Rat

An diesem Freitag trifft sich am Sitz der westlichen Militärallianz in Brüssel zudem der Nato-Ukraine-Rat, um über die aktuelle Lage zu beraten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lässt sich aus seiner Heimat per Video dazuschalten.

Die Diskussionen auf Capri wurden von den Sorgen über eine drohende Eskalation in Nahost nach dem iranischen Angriff auf Israel vom vergangenen Wochenende beherrscht. Italien als Gastgeber versicherte Israel im Namen aller G7-Staaten Unterstützung. Zugleich mahnte Außenminister Antonio Tajani beide Seiten zur Deeskalation.

Sorge vor Flächenbrand in Nahost

Befürchtet wird, dass es bei einem großen israelischen Gegenschlag in der Region zu einem Flächenbrand kommt - weit über den seit sechs Monaten laufenden Gaza-Krieg hinaus. Mit Spannung wird deshalb erwartet, wie weit die G7-Minister in der Abschlusserklärung mit Kritik an Teheran und der Ankündigung zusätzlicher Sanktionen für den Iran gehen. Hintergrund sind auch Überlegungen, wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von einem massiven Gegenangriff abgehalten werden kann.

Die USA und Großbritannien brachten gegen Teheran bereits am Donnerstag neue Strafmaßnahmen auf den Weg. Die EU wird vermutlich nächste Woche folgen.

Weitere Luftabwehrsysteme für Ukraine?

Zweites beherrschendes Thema war der seit zwei Jahren dauernde russische Angriffskrieg gegen die benachbarte Ukraine. Baerbock warb bei den G7-Partnern dafür, Kiew weitere Systeme zur Luftabwehr zur Verfügung zu stellen. Deutschland bereitet gerade die Lieferung eines dritten Patriot-Systems vor. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der erstmals als offizieller Gast dabei war, forderte ebenfalls die Lieferung weiterer Abwehrsysteme.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bat als Gast auf Capri nochmals dringend um Hilfe. Alle Unterstützer sollten ihre Anstrengungen maximieren, «um der Ukraine das zu geben, was sie braucht, um sich weiterhin wirksam gegen diese russische Aggression zu verteidigen». Ans US-Parlament appellierte Kuleba, nun schnell das geplante Hilfspaket von umgerechnet etwa 57 Milliarden Euro zu verabschieden.

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